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Guten Abend,

In ganz Belgien haben Millionen von Menschen ihr Leben auf den Kopfgestellt um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Wir machenFortschritte, und ich danke Ihnen für Ihre Bemühungen. Tragischerweisesind bereits viele unserer Mitbürger schwer erkrankt oder verstorben. Unsere Gedanken sind bei ihnen und ihren Familien.

Die Pandemie hat uns gezwungen, beispiellose Maßnahmen zu ergreifen.Jedoch muss muss ich Ihnen mitteilen, dass diese Maßnahmen noch nichtausreichen und dem Ernst der Lage nicht gerecht werden. Ich spreche heutezu Ihnen, um neue Erkenntnisse mit Ihnen zu teilen, die wir im Hinblick aufdie gegenwärtige Krise gewonnen haben.

Die wissenschaftliche Gemeinschaft hat uns mitgeteilt, dass dieCOVID-19-Krisetatsaechlich nur eine von vielen Folgen eines viel größeren Problems ist. Diese Probleme müssen wir sofort angehen um diegegenwärtigen Krise, und zukünftige Krisen, die noch weitaus gravierenderausfallen könnten, zu überwinden.

Was ich Ihnen heute zu sagen habe, ist vielleicht schwer zu verstehen. Ichbin mir dessen sehr wohl bewusst.

In den letzten Jahrzehnten haben wir eine dramatische Zunahme neuerKrankheiten erlebt: Ebola, die Schweinegrippe, SARS und jetzt COVID-19. (1, 2) Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass diese Epedemien in direktemZusammenhang mit der von uns verursachten Ausbeutung und Zerstörung unserernatürlichen Umwelt stehen: Entwaldung, industrielle Landwirtschaft, unserEinsatz von Antibiotika, die globale Erwärmung und internationales Reisen.Wild Tiere haben nicht mehr genügend Platz zum Leben. Krankheiten werdenübertragen zwischen Arten, die nie zuvor in engen Kontakt getreten sind. Intensive Tierhaltung schafft massenhaft Gelegenheiten für die Entwicklung und Verbreitung gefährlicher Krankheiten. (3, 4)

Das Coronavirus ist eine Alarmglocke, deren Läuten wir nicht ignorierendürfen. Pandemien sind eine der Folgen einer tieferen ökologischen Krise.Wissenschaftler, indigene Völker und Umweltschützer warnen uns seit langemdavor, dass wir vor einem drohenden Zusammenbruch jener Ökosysteme stehen,von denen unser aller Überleben abhängt.(5, 6, 7)

Jahrhundertelang hat unsere Zivilisation die Natur als einen Vorrat anRessourcen betrachtet, der ausgebäutet werden kann. Unser Bedarf anEnergie und Materialien ist stetig gewachsen.(8, 9, 10) Eine Handvoll europäischerNationen, darunter Belgien, kolonisierte große Teile der der Welt, und hatdie Ausbeutung der indigenen Bevölkerung und die Plünderung der Erde zuverantworten. Dies ist nicht nur Geschichte. Die Ungerechtigkeiten dauernfort, und die zehn reichsten Prozent der Weltbevölkerung verbrauchtzwanzigmal mehr Energie als die ärmsten zehn Prozent. (11,12)Wir Belgier haben einen der höchsten ökologischen Fußabdrücke der Welt. (13)

Die Regierungen sprechen von einer Erwärmung unseres Planeten um 1,5 oder2°C. Der Unterschied scheint minimal, aber dieses halbe Grad Celsius wirdeinen Anstieg des Meeresspiegels verursachen, und Überschwemmungen, Brände, Dürren, Wüstenbildung und Hungersnöte mit sich bringen. Dieses halbe GradCelsius steht für hunderte vonMillionen von Todesfällen. (14, 15)Jeden Tag verschwindet eine unerhörte Anzahl von Pflanzen- und Tierarten für immer. Zehn- bis hundertmal schneller als in den letzten 10 Millionen Jahren. (16)DieKlimakrise ist keine ferne Bedrohung. Überall auf der Weltsehen sichMenschen bereits jetzt ihres Lebensraumes und ihrer Lebensgrundlagen beraubt.(17)

Bislang blieb unser Land von den schlimmsten Auswirkungen der ökologischenKrise verschont. Doch selbst hier in Belgien müssen wir mit Ernteausfällen rechnen, weil es zunehmend an Wasser mangelt und bestäubende Insektenverschwinden. (18,19) Menschen in Küstennähe werden aus ihren Häusern vertrieben,wenn der Meeresspiegel steigt. (20, 21)Ungleich mehr unserer Mitbürger werdendurch Hitzewellen undLuftverschmutzung sterben. (22)Heute streiten sich dieMenschen um Toilettenpapier. Wenn wir nicht umgehend handeln werden wiruns bald vor einem leeren Supermarkt um Lebensmittel streiten.

Wir haben sehr viel Hoffnung in neue Technologien gesetzt. (23, 24, 25)DieWissenschaft sagt uns jedoch, dass keine der vorhandenen Technologien demökologischenZusammenbruch entgegenwirken oder ihn gar umkehren kann. Wirkönnen auch nicherwarten, dass solche Technologien in absehbarer Zukunftentwickelt werden.(26)

Bis heute haben wir als politische Entscheidungsträger darin versagt, denökologischen Zusammenbruch ernst zu nehmen. Heute erzeugt dieCoronaviruskrise ein Bewusstsein dafür, wie tiefgreifen der uns abverlangteWandel unsere Lebensumstände sein wird. Wirmüssen unsere Lebensweiseändern, und wir müssen sie jetzt ändern.

Ich werde weiterhin von den mir übertragenen besonderen BefugnissenGebrauch machen, um die Pandemie under Kontrolle zu bringen. Aber wirmüssen weiter gehen. Dies wird von uns allen allen großen Mut und große Anstrengungen erfordern, von Unternehmen, von politischenEntscheidungsträgern und von allen Mitbürgern.

Die zur Bekämpfung der ökologischen Krise erforderlichen Maßnahmen werdenjeden von uns dauerhaft beeinflussen. Keine Regierung sollte je soweitreichende Entscheidungen im Alleingang treffen, auch nicht in Zeitender Not. Diejenigen von Ihnen, die von der Krise und den Maßnahmen ammeisten betroffen sind, müssen auch diejenigen sein, die über dieseMaßnahmen bestimmen. Dies ist nicht nur die gerechteste Option, es ist die effektivste.

Aus diesem Grund kündige ich die sofortige Schaffung neuerBürgerparlamente an. Diese werden, mit der Hilfe von Experten, die dringendsten Prioritäten für politischen Handlungsbedarf definieren und Strategien vorschlagen. Mitglieder der Bürgerparlamente werden nach dem Losverfahren beftimmt undvertreten alle Einwohner Belgiens proportional: die Alten und die Jungen;die Armen und die Wohlhabenden; Bürger aller politischen, ethnischen undkulturellen Hintergründe.

Die Art und Weise, wie wir die Koronakrise überwinden, wird enormeAuswirkungen auf unsere Zukunft haben. Verschiedene Wirtschaftszweigehaben sehr unterschiedlichen Einfluss auf die Umwelt und auf dasWohlbefinden der Menschen. Welche Unternehmen werden wir mit Steuergeldernunterstützen, sobald die Kontaktsperre vorbei ist? Wie können wir am bestendiejenigen unterstützen, die aufgrund der Krise Schwierigkeiten haben ihreRechnungen zu bezahlen? Wie stellen wir sicher, dass unserGesundheitssystem stark genug bleibt um zukünftigen Krisen standzuhalten?(27) Die Beantwortung dieser Fragen wird die erste Aufgabe der neuenBürgerparlamente sein.

Wir haben unseren Planeten schwer geschädigt. Es ist an der Zeit, sichdieser schwierigen Wahrheit zu stellen und Verantwortung zu übernehmen.Ich bitte Sie zusammenzukommen, sich als belastbare Gemeinschaft zuvereinen, damit wir gemeinsam das Blatt wenden können. Diese historischeLast muss auf viele Schultern verteilt werden. Wir werden gemeinsam aufeine eine gesündere, ausgewogene undvielversprechende Zukunftzuarbeiten.

Ich danke Ihnen.

Sophie Wilmès

Referenzen

  1. Jones KE, Patel NG, Levy MA, Storeygard A, Balk D, Gittleman JL& Daszak P. (2008), Global trends in emerging infectious diseases. Nature 451, 990–993. (doi:10.1038/nature06536)
  2. Katherine F. Smith, Michael Goldberg, Samantha Rosenthal, Lynn Carlson, Jane Chen, Cici Chen and Sohini Ramachandran (2014), Global rise in human infectious disease outbreaks J. R. Soc. Interface.1120140950 (http://doi.org/10.1098/rsif.2014.0950)
  3. IPBES (2018): The IPBES assessment report on land degradation and restoration. Montanarella, L., Scholes, R., and Brainich, A. (eds.) Secretariat of the Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services, Bonn, Germany. Pages 272-273 and 376-377.
  4. Jones BA, Grace D, Kock R, et al. Zoonosis emergence linked to agricultural intensification and environmental change. Proc Natl Acad Sci U S A. 2013;110(21):8399–8404. doi:10.1073/pnas.1208059110
  5. Section By the Numbers – Key Statistics and Facts from the Report of https://ipbes.net/news/Media-Release-Global-Assessment
  6. http://www.iipfcc.org/who-are-we
  7. Vogt, W. (1948), Road to Survival, William Sloane Associates, Inc. Publishers, New York
  8. Domestic material extraction of the world in 1970-2017, by material group (metal ores, fossil fuels, Non-metallic minerals, biomass) from http://www.materialflows.net/global-trends-of-material-use/
  9. Energy use (kg of oil equivalent per capita), 1960-2015 from https://data.worldbank.org/indicator/eg.use.pcap.kg.oe
  10. Electric power consumption (kWh per capita), 1960-2014 from https://data.worldbank.org/indicator/EG.USE.ELEC.KH.PC
  11. Oswald, Y., Owen, A. & Steinberger, J.K. Large inequality in international and intranational energy footprints between income groups and across consumption categories. Nature Energy 5, 231–239 (2020). https://doi.org/10.1038/s41560-020-0579-8
  12. Roberts, D. (2020), Why Rich People Use So Much Energy, Vox, https://www.vox.com/energy-and-environment/2020/3/20/21184814/climate-change-energy-income-inequality
  13. Global Footprint Network, Compare Data, from http://data.footprintnetwork.org/#/compareCountries?type=EFCpc&cn=all&yr=2016
  14. https://interactive.carbonbrief.org/impacts-climate-change-one-point-five-degrees-two-degrees/
  15. https://www.wwf.org.uk/updates/our-warming-world-how-much-difference-will-half-degree-really-make
  16. Section By the Numbers – Key Statistics and Facts from the Report of https://ipbes.net/news/Media-Release-Global-Assessment
  17. https://www.newscientist.com/article/2125198-on-front-line-of-climate-change-as-maldives-fights-rising-seas/
  18. https://www.eea.europa.eu/data-and-maps/figures/water-stress-in-europe-2000-and-2030
  19. https://fcrn.org.uk/research-library/intensive-agriculture-driving-worldwide-decline-insects
  20. https://www.theguardian.com/world/2018/aug/11/knokke-heist-belgium-rising-sea-levels-environment-tourism
  21. https://www.climatechangepost.com/belgium/coastal-floods/
  22. https://www.oecd-ilibrary.org/docserver/health_glance_eur-2018-28-en.pdf
  23. Smil, V. (2014), The Long Slow Rise of Solar and Wind. Scientific American, from http://vaclavsmil.com/wp-content/uploads/scientificamerican0114-521.pdf
  24. https://solar.lowtechmagazine.com/2018/01/bedazzled-by-energy-efficiency.html
  25. https://solar.lowtechmagazine.com/2009/11/renewable-energy-is-not-enough.html
  26. Jason Hickel & Giorgos Kallis (2019): Is Green Growth Possible?, New Political Economy, DOI: 10.1080/13563467.2019.1598964
  27. Heinberg, R. (2020), Pandemic Response Requires Post-Growth Economic Thinking. Common Dreams, from https://www.commondreams.org/views/2020/04/09/pandemic-response-requires-post-growth-economic-thinking